Montag, 18. April 2011

DISCARNATE MAN 03

Welch verrückte Performance!
Wenn trotz ausgiebiger Tests die Technik im entscheidenden Moment versagt, wenn kurz vor dem Aufbruch der Fahrer des Eselkarrens Angst bekommt in das Viertel El Moneb zu fahren, er dann am vereinbarten Treffpunkt nicht da ist und dann doch auftaucht, wenn nur unsere Anwesenheit einen Volksauflauf verursacht, wenn unser Security Man nervös wird, wenn dann auf einmal doch alles funktioniert, wenn dann Unterbrechungen geschehen....so viele Widrigkeiten, und dennoch die Performance gelingt.

Die Ablenkungsgefahren für mich sind enorm. Kamera und Ohrhörer am Kopf, lange Kabel verbinden mich mit dem Labtop. Viele Menschen bestürmen mich, vor allem Jungs, Teens, die mit mir in Kontakt treten wollen, mit Fragen, Antippen, Rufen etc. Es ist der musikalische Kontakt mit Jan Kurth am anderen Ende der Skype-Verbindung, der mir hilft bei der Musik und unsrer musikalischen Kommunikation zu bleiben. Unser Kairo-Zufallspublikum schafft eine Geräuschkulisse, die ich nicht ignorieren kann. Es wird gejohlt, geklatscht, telefoniert... Doch es fügt sich zusammen. Im gemächlichen Schritt des Eselkarrens kann ich – hoffentlich sichtbar für das Freiburger Publikum – den Blick zum Himmel wenden. Dort gibt es einen hellen dreiviertel Mond, ein beleuchtetes Minarett und Dunkelheit - ein wunderbares, friedliches Bild. Oder Feuer in der Dunkelheit, Müll der verbrennt. Das stinkt außerordentlich und sieht gespenstisch aus. LKWs fahren durch die Szenerie, die Scheinwerfer machen gleißendes Licht. Insgesamt eine inspirierende Situation. Ich kann über eine weite Entfernung ein Duo spielen, in den Klang eintauchen, eine Antwort von Jan ins Spiel aufnehmen und für Momente verbinden sich die Klänge zu einem Musikstück, jenseits aller Zeiten und Räume. Plötzlich verschmilzt dann alles: Jan singt, das Publikum in El Moneb klatscht einen Rhythmus, den ich aufnehme und so wird das Konzert ein Trio. Straßenkids, der Gesang, das Violinspiel.

Das Ende kommt jäh. Daniel gibt Zeichen zum Abbruch. Das Publikum verhält sich zunehmend bedrohlich, die Frauen unseres Teams werden begrapscht und belästigt, die anfängliche Neugier schlägt in wachsende Aggressivität gegenüber dem gesamten Team um.
Fast fluchtartig packen wir zusammen und fahren weg. Erst beim Bier im nahe gelegenen Hotel realisiere ich, welchem Stress das Team ausgesetzt war. Ein großes Kompliment, wie mir der Rücken freigehalten wurde. Ich hab während unsrer Aktion davon nichts mitbekommen.